Bonus - Ermessen? Pflicht?

«Der Maximalbonus beträgt 50 000 Franken (bei unterjährigem Eintritt oder Austritt pro rata temporis), dies bei voller Erreichung der vereinbar­ten quantitativen und qualitativen Ziele, die in einer separaten Zielver­einbarung jährlich definiert bzw. vor­gegeben werden.» Solche oder ähn­liche Klauseln finden sich oft in Arbeitsverträgen. Nicht selten stellt sich die Frage, ob die Bezahlung einer Gratifikation oder eines Bonus «frei­willig» ist oder fest geschuldet ist.

Was ist eine Gratifikation? Wird neben dem Lohn eine Sonder­zahlung aus bestimmtem Anlass aus­gerichtet, spricht man von einer Gra­tifikation. Darunter fallen einerseits freiwillige Gratifikationen (Weih­nachten, Jahresende, Dienstalter usw.) als auch vertraglich vereinbar­te Sonderzahlungen (Projekte, Ziel­erreichung usw.). Während die freiwilligen Leistun­gen grundsätzlich keinen Anspruch begründen, bergen vor allem die ver­traglich vereinbarten Gratifikationen oft Streitpotenzial. Dies vor allem dann, wenn es um die Frage geht, ob vereinbarte Zielvorgaben erfüllt wurden oder nicht.

Probleme können auch bestehen, wenn zwar unbestritten ist, dass An­spruch auf die Gratifikation besteht, diese aber in der Höhe nicht im Vor­hinein festgehalten wurde. Nur wenn auch die Höhe des «Bo­nus» konkret beziffert ist, handelt es sich um einen Bestandteil des Loh­nes, der im Streitfall eingeklagt werden kann.

Gratifikation als Lohnbestandteil

Aber Achtung: Auch bei Gratifika­tionen, deren Ausrichtung einzig vom Ermessen des Arbeitgebers ab­hängen, kann unter Umständen ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Ausrichtung entstehen. So erachten sowohl Lehre als auch Rechtsprechung eine Gratifikation nach dem Vertrauens prinzip als Lohnbestandteil, wenn diese un­unterbrochen und vorbehaltlos wäh­rend mindestens drei aufeinander­folgenden Jahren ausgerichtet worden ist. Es empfiehlt sich also klar festzu­halten, dass die Auszahlung der Gra­tifikation auf Freiwilligkeit basiert, der ausbezahlte Betrag in Abhängig­keit zum Geschäftsgang steht und die Auszahlung keine Garantie dafür ist, dass auch in den nächsten Jah­ren eine Gratifikation ausbezahlt wird.

Im Gegensatz zur freiwilligen Gratifikation hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ausrichtung der Gra­tifikation oder des Bonus, wenn ob­jektiv festlegbare Ziele erreicht wer­den. Dabei liegt stets Lohnbestand­teil vor, wenn dem Arbeitnehmer ein vertraglicher, objektiv bestimmbarer Anspruch auf einen Anteil am Ge­winn oder am Geschäftsergebnis eingeräumt wird.

Austritt mitten im Jahr

Handelt es sich bei der jährlichen Gratifikation um einen variablen Lohnbestandteil, besteht bei Aus­scheiden des Arbeitnehmers vor Ab­schluss des Geschäftsjahres grund­sätzlich nur dann ein Anspruch auf einen anteilsmässigen Anteil der Gra­tifikation, wenn dies im Vertrag fest­gehalten wurde.Mit der Begründung, dass es sich in diesem Fall um Lohn handelt, geht das Bundesgericht in einer etwas strittigen Entscheidung sogar noch weiter und bejaht einen Pro­rata­An­spruch auch dann, wenn dieser reg­lementarisch wegbedungen wurde.

Wir empfehlen auf jeden Fall, die verschiedenen Gratifikations­ und Lohnbestimmungen im Arbeitsver­trag detailliert zu definieren, um allfällige Missverständnisse und (rechtliche) Streitigkeiten zu ver­meiden.

 

Dieser Beitrag erschien im "Standpunkt der Wirtschaft", Ausgabe vom 19. Juni 2020