In einem neuen Entscheid äussert sich das Bundesgericht zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit für Beiträge Dritter auf der eigenen Facebook-"Pinnwand". Was ist zu beachten?
Eine alltägliche Situation in den sozialen Medien: Ein Post auf Facebook geht viral und veranlasst einen regen (und zuweilen kontroversen) Meinungsaustausch. Leider halten sich bei solchen Diskussionen nicht immer alle Teilnehmenden an die Netiquette und lassen sich zu widerrechtlichen Kommentaren hinreissen. Erscheinen solche Kommentare auf der eigenen «Pinnwand», gibt man diesen Kommentaren eine Plattform und verbreitet sie damit weiter. Es stellt sich deshalb die Frage, ob man für die widerrechtlichen Kommentare Dritter auf der eigenen «Pinnwand» haftet. Dabei ist zwischen der zivil- als auch der strafrechtlichen Haftung zu unterscheiden.
Im kürzlich ergangenen Entscheid BGer 6B_1360/2021 vom 7. April 2022 hat sich das Bundesgericht mit der Frage der strafrechtlichen Haftung für Kommentare Dritter auf der eigenen «Pinnwand» von Facebook auseinandergesetzt. Das Bundesgericht geht davon aus, dass bei einem regelmässig bewirtschafteten Facebook-Konto die «Pinnwand» mit einem Diskussionsforum vergleichbar ist. In einem früheren Entscheid hat das Bundesgericht festgehalten, dass ein Betreiber eines Diskussionsforums eine Verantwortung für strafrechtlich relevante Kommentare trägt, sofern er von diesen Kommentaren Kenntnis hat. Massgebend ist damit die Kenntnis, dass widerrechtliche Inhalte verbreitet werden. Ohne Kenntnisnahme besteht nämlich kein Vorsatz und damit auch keine Strafbarkeit. In einem allfälligen Verfahren ist von der Staatsanwaltschaft die tatsächliche Kenntnisnahme nachzuweisen. Aus rechtlicher Hinsicht ist dies konsequent. In der Praxis dürfte der entsprechende Nachweis jedoch schwierig zu erbringen sein, was dazu führt, dass eine Verurteilung mit hohen beweisrechtlichen Hürden einhergeht.
Gleich verhält es sich gemäss Bundesgericht bei der «Pinnwand» auf Facebook, soweit das Facebook-Konto täglich und vorderhand für die Verbreitung der eigenen Meinungen genutzt wird. Initiant*innen einer Diskussion auf der eigenen «Pinnwand» sind somit gehalten, fragwürdigen Kommentaren bei Kenntnisnahme zu löschen, andernfalls eine Strafverfolgung drohen kann.
Und wann hafte ich zivilrechtlich?
Weitergehend als die strafrechtliche Haftung ist die zivilrechtliche Haftung bei Persönlichkeitsverletzungen. Im Zivilrecht kann gegen jeden vorgegangen werden, der an der Verletzung der Persönlichkeit mitwirkt. Dabei ist – im Gegensatz zum Strafrecht – auch kein Vorsatz notwendig, weshalb die Kenntnis über die verletzenden Kommentare für die Begehung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht vorausgesetzt wird. Aus diesem Grund sind Social-Media-Nutzer*innen gut beraten, beim Verbreiten von Beiträgen Dritter vorsichtig zu sein und sicherzustellen, dass der verbreitete Inhalt nicht die Persönlichkeitsrechte anderer verletzt. Darüber hinaus besteht zudem die Möglichkeit durch den Betreiber der genutzten Plattform sanktioniert zu werden, da die meisten Betreiber von sozialen Medien über Richtlinien verfügen, welche das Verfassen und Verbreiten von widerrechtlichem Inhalt untersagen.
Fazit: Die sozialen Medien ermöglichen einen globalen Meinungsaustausch zu allerlei Themen. Aber das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Das Verfassen und Verbreiten von widerrechtlichen Inhalten kann weitreichende rechtliche Konsequenzen haben, weshalb Nutzer*innen eine grosse Verantwortung im Umgang mit den sozialen Medien zukommt.
Simon Walker, 3. August 2022