Regeln zur Vermittlung

Lange haben wir darauf gewartet, viel ist geschrieben worden: Heute tritt ein erster Teil der neuen Bestimmungen der FIFA zur Arbeit mit Vermittlern in Kraft. Nach eigenem Bekunden möchte die FIFA dem nach ihrem Bekunden vorherrschenden „law of the jungle“ Einhalt gebieten und etabliert deshalb, unbesehen der breiten Kritik aus Spielervermittlerkreisen, einschneidende Regeln für Spielervermittler und -agenten.

Die neuen „FIFA Football Agent Regulations“ (nachfolgend „FIFA-Vermittlungsreglement“ oder „FFRA“) sehen folgende Neuerungen vor:

Geltung bei internationalen Transfers: Die neuen Bestimmungen gelten für alle Vermittlungshandlungen, die eine internationale Dimension aufweisen. Die Definition der FIFA ist weit gefasst. Eine (den FIFA-Bestimmungen unterfallende) Vermittlung liegt bei jeder Tätigkeit eines Vermittlers vor, die im Zusammenhang mit einem internationalen Transfer oder einer internationalen Transaktion steht (Art. 2 Abs. 1 lit. b FFAR).

Geltung auch für Trainer/innen: Nachdem die FIFA bereits die Anwendbarkeit der FIFA-Bestimmungen bezüglich Status und Transfer von Spielern auf Trainer/innen ausgeweitet hat, ist auch das neue Vermittlungsreglement auf Vermittlungsleistungen im Zusammenhang mit Trainer/innen anwendbar.

Nationale Verbände müssen nachziehen: Das neue Vermittlungsreglement ist gemäss Anwendungsbereichs zwar „nur“ auf internationale Vermittlungen anwendbar. Gleichwohl sieht Art. 3 FFAR vor, dass die nationalen Verbände das Gros der materiellen Bestimmungen in ihre nationalen Regelwerke zur Arbeit mit Vermittlern aufzunehmen haben. Diese Übernahme (insb. der Bestimmungen zur Beschränkung der Vermittlerprovisionen) sind bis zum 30. September 2023 umzusetzen. Die Etablierung strengerer Bestimmungen als jene im FIFA-Vermittlungsreglement ist zulässig.

Wiedereinführungen des Lizenzierungssystems und der Fachprüfung: Wer künftig als Vermittlerin oder Vermittler tätig sein will, muss sich bei der FIFA registrieren und insbesondere erfolgreich eine Fachprüfung ablegen (Art. 4 FFAR). Damit kehrt die FIFA zum FIFA-Lizenzierungsverfahren zurück, das sie 2005 abgeschafft hatte. Die Prüfung ist als Multiple-Choice-Test ausgestaltet und wird von der FIFA erstellt. Damit soll verhindert werden, dass die Prüfung – dies war unter dem alten Prüfungsregime zuweilen der Fall, bei dem die Mitgliedsverbände für die Prüfungen zuständig waren – zu einer Alibi-Übung verkommt. Geprüft wird das Wissen über die Fussball-Reglementierung.

Schriftlicher Vermittlervertrag mit fixer Laufzeit: Vermittler/innen müssen mit ihren Klientinnen und Klienten einen schriftlichen Vertrag abschliessen, in dem die vertraglichen Leistungen definiert sind. Vereinbarungen zwischen einem Vermittler und einem Spieler/Coach dürfen die Laufzeit von zwei Jahren nicht überschreiten. Eine Verlängerung mittels neuen Vertrags ist möglich; unzulässig sind jedoch Klauseln über eine automatische Verlängerung (Art. 12 FFAR). Ein Vermittlungsvertrag kann nur «aus wichtigem Grund» («just cause») vorzeitig aufgelöst werden. Eine Kündigung ohne wichtigen Grund führt zu einem Schadenersatzanspruch der anderen Vertragspartei. Aus Schweizer Sicht dürfte diese Bestimmung in Widerspruch zum jederzeitigen Widerrufsrecht nach Art. 404 OR stehen, bei dem es sich nach Bundesgericht um zwingendes Recht handelt. Es ist anzunehmen, dass sich der Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne früher oder später mit diesem Widerspruch zu beschäftigen hat.

Mehrfachvertretungen: Das FIFA-Vermittlungsreglement untersagt die Vertretung von mehreren Parteien in einem Transfer, jedoch mit einer Ausnahme, die – Stand heute –  wohl der Regelfall ist: Auch künftig ist es Vermittlern erlaubt, den aufnehmenden Club und den Spieler gleichzeitig zu vertreten. Voraussetzung ist jedoch, dass beide vertretenen Parteien vor der Transaktion ihre schriftliche Zustimmung dazu geben. Verboten ist hingegen die Doppelvertretung von abgebendem Club und Spieler sowie die Vertretung beider Clubs (Art. 12 Abs. 8/9 FFAR). Demnach ist es künftig nicht mehr zulässig, als Agentin oder Agent einer Spielerin oder eines Spielers eine Entschädigung des abgebenden Clubs zu verlangen (insb. für die Mithilfe bei der vorzeitigen Aufhebung eines Spielervertrags).  

Begrenzung der Vermittlungsprovision: Hierbei handelt es sich gewissermassen um das Herzstück des neuen FIFA-Vermittlungsreglements. Keine andere Massnahme wurde im Vorfeld kontroverser diskutiert. Fraglich ist insbesondere, ob die Begrenzung der Provision einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung standhält (vgl. hierzu insbesondere die Publikation des Schreibenden). Bei der Vertretung eines Spielers oder des aufnehmenden Clubs berechnet sich die maximale Provision nach Massgabe der jährlichen Brutto-Vergütung des Spielers (i.e. Grundsalär, Sign-On Fee, Bonus). Bei einer Brutto-Vergütung von USD 200’000 oder weniger ist die Provision auf 5% der Brutto-Vergütung des Spielers beschränkt. Übersteigt die Brutto-Vergütung USD 200’000, beträgt die maximale Provision 3% der Brutto-Vergütung. Bei der Vertretung des abgebenden Clubs ist die Vermittlerprovision beschränkt auf 10% der Transferzahlung. Sämtliche Zahlungen an Vermittlerinnen und Vermittler haben über das neu errichtete «FIFA Clearing House» zu erfolgen, einer Abrechnungsstelle der FIFA, über welche Zahlungen zentral abgewickelt werden.

Sorgfalts- und Informationspflichten: Das FIFA-Vermittlungsreglement sieht eine Reihe von weiteren Sorgfalts- und Informationspflichten von Vermittlern vor, mit welchen die Rechte der Vertretenen gestärkt und die Kontrolle durch die FIFA erleichtert werden soll.

Neuer Streitbeilegungsmechanismus: Streitigkeiten zwischen Vermittlerinnen und Vermittlern einerseits und Spielerinnen und Spielern und/der Clubs andererseits werden künftig gemäss Art. 20 FFAR vom «FIFA-Fussballgericht» beurteilt (wobei es sich hierbei entgegen der FIFA-eigenen Bezeichnung weder um ein staatliches Gericht noch um ein Schiedsgericht handelt). Vorbehalten bleibt das Recht der Parteien, ein zuständiges staatliches Gericht anzurufen (gerade im Hinblick auf die (Nicht-)Anwendbarkeit von Art. 404 OR dürfte dies für Schweizer Sachverhalte von einiger Relevanz sein). Zudem hat die FIFA (insb. die Disziplinar- und die Ethikkommission) das Recht, fehlbare Vermittler mit Sanktionen zu belegen (Art. 21 FFAR).

Übergangsbestimmungen: Vermittlervereinbarungen, die eine längere Laufzeit als bis zum 1. Oktober 2023 aufweisen, bedürfen keiner Änderung, dürften jedoch nicht verlängert werden, ohne dass die neuen Bestimmungen eingehalten werden.

Die Durchsicht des neuen FIFA-Vermittlungsreglements lässt keinen Zweifel offen: Die FIFA nimmt Vermittlerinnen und Vermittler an die kurze Leine. Dabei nimmt sie in Kauf, dass mit den neuen Bestimmungen erheblich in den Wettbewerb eingegriffen wird. Wer nach dem 1. Oktober 2023 – dann treten die meisten Bestimmungen in Kraft – als Fussballvermittlerin oder -vermittler tätig sein möchte, tut gut daran, die Umsetzungen der Bestimmungen bereits jetzt in Angriff zu nehmen. Gestärkt durch die neuen Bestimmungen wird die Verhandlungsposition von Clubs und Spielern. Insbesondere die Begrenzung der Vermittlungsprovision dürfte die Verhandlungen mit Vermittlern (insb. über die Vermittlungsprovision) vereinfachen.

Klar ist jedoch auch: In Bezug auf die neuen Bestimmungen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, haben doch bereits mehrere Vermittler angekündigt, die Bestimmungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Zudem lassen diverse Bestimmungen im neuen Reglement Raum für Auslegungen.

Markus Prazeller, 9. Januar 2023

 

Nachtrag vom 16.01.2023:

Gemäss Aussagen der FIFA stellt die Bewilligungspflicht des SECO für Arbeitsvermittler*innen keine Ausnahme i.S. des FIFA-Vermittlungsreglement dar. Das heisst: Auch Schweizer Vermittler*innen müssen sich lizenzieren und die FIFA-Prüfung ablegen.