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Anuschka Roshani vs. TX Group

Das Urteil des Zürcher Arbeitsgerichts im Fall Roshani gegen TX Group hat eine öffentliche Kontroverse über das Gleichstellungsgesetz ausgelöst, aus dem die Klägerin ihre Ansprüche ableitet. Unser Arbeitsrechtsexperte Simon Walker hat sich das Urteil genauer angeschaut und beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Ein Urteil des Arbeitsgerichts Zürich vom 11. November 2024 hat die Wogen hochgehen lassen: Die bekannte Journalistin Anuschka Roshani klagte gegen die TX Group, unter anderem Herausgeberin des Tages-Anzeiger und des „Magazin“, und verlangte die Aufhebung ihrer Kündigung. Das Zürcher Arbeitsgericht gab ihr (teilsweise) Recht und hob die Kündigung auf. Auf die Feststellungsbegehren der Klägerin wurde hingegen nicht eingetreten und die Genugtuungs- und Entschädigungsbegehren wurden abgewiesen.

Das Urteil, obschon bisher nicht veröffentlicht, wurde öffentlich kontrovers diskutiert und lenkte den öffentlichen Fokus auf ein Gesetz, über das Medien sonst nur sehr selten berichten: das Gleichstellungsgesetz (GlG), aus dem Roshani ihre Ansprüche hauptsächlich ableitet. So wusste beispielsweise die NZZ zu berichten, dass Roshani aufgrund des (noch nicht rechtskräftigen) Urteils Anspruch auf “mindestens 33 Monatslöhne” habe, was insbesondere an den „Besonderheiten” des Gleichstellungsgesetzes liege.

Ausnahme des Grundsatzes der Kündigungsfreiheit

Tatsächlich stellt die (gerichtliche) Aufhebung einer Kündigung im Schweizer Recht eine Ausnahme dar. Selbst wenn eine Kündigung missbräuchlich oder eine fristlose Entlassung ungerechtfertigt erfolgt, hat die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach den Grundsätzen des Obligationenrechts, wo der Arbeitsvertrag geregelt ist, grundsätzlich Bestand. Es gilt die sogenannte Kündigungsfreiheit, weshalb nicht auf Wiedereinstellung geklagt werden kann. Anders verhält es sich nach den Bestimmungen des Gleichstellungsgesetzes. Das GlG sieht vor, dass die arbeitgeberseitige Kündigung anfechtbar ist, wenn sie ohne begründeten Anlass auf eine innerbetriebliche Beschwerde über eine Diskriminierung oder auf die Anrufung der Schlichtungsstelle oder des Gerichts durch die Arbeitnehmerin bzw. den Arbeitnehmer folgt. Dieser Kündigungsschutz gilt für die Dauer des innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens, eines Schlichtungs- oder eines Gerichtsverfahrens sowie sechs Monate darüber hinaus.

Im konkreten Fall machte die Journalistin eine Diskriminierung durch ihren Vorgesetzten bei der Arbeitgeberin, den ehemaligen Chefredaktor des “Magazin”, geltend. Mehrere Medien berichteten damals über den Fall, unter anderem auch das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel”, das einen Gastbeitrag von Roshani veröffentlichte, in dem diese schwere Vorwürfe erhob. Tamedia reagierte mit einer öffentlichen Stellungnahme der Chefredaktion. Der bekannte Medien-Unternehmer Roger Schawinski schrieb sogar ein Buch zur Causa.

Die TX Group gab eine Untersuchung der Vorwürfe in Auftrag und liess anschliessend eine zweite Untersuchung erstellen. Zudem hatte die Redaktorin ein Schlichtungsgesuch eingereicht, mit dem sie die Feststellung verlangte, dass sich im Sinne des Gleichstellungsgesetz diskriminiert worden sei.

Kündigungsschutz nach Gleichstellungsgesetz

Das Arbeitsgericht kommt in seinem Urteil zum Schluss, dass sowohl die zweite Untersuchung als auch das eingereichte Schlichtungsgesuch einen Kündigungsschutz nach dem Gleichstellungsgesetz auslösten und die Schutzfrist bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht abgelaufen ist. Während dieser Frist gilt gewissermassen ein Kündigungsverbot. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Kündigung aus „begründetem Anlass” erfolgt. Es gilt die Annahme, dass zwischen der beanstandeten Diskriminierung und der Kündigung ein Kausalzusammenhang besteht.

Es obliegt der Arbeitgeberin nachzuweisen, dass ein begründeter Anlass für die Kündigung bestand und es sich nicht um eine Rachekündigung handelte. Kann sie diesen Nachhweis nicht erbringen, wird die Kündigung aufgehoben. Anders als bei einer missbräuchlichen Kündigung obliegt nach Gleichstellungsgesetz die Beweislast somit nicht der arbeitnehmenden Person, sondern der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber.

Arbeitsgericht: kein hinreichender Kündigungsgrund

Im vorliegenden Fall argumentierte die TX Group insbesondere damit, dass die von der Redaktorin geäusserten Vorwürfe Unruhe im Team ausgelöst hätten und sich die Mitarbeiter in einem Loyalitätskonflikt befänden. Es wurde die Befürchtung geäussert, dass sich diese Situation negativ auf die Teamleistung und damit den Erfolg auswirken würde. Zudem habe die Redaktorin bereits vor Abschluss der Untersuchungen geltend gemacht, nicht mehr mit ihrem Vorgesetzten zusammenarbeiten zu wollen.

Das Gericht sah die behaupteten Unruhen nicht für hinreichend nachgewiesen, wobei es bemerkte, dass es ohnehin die Aufgabe der Arbeitgeberin sei, solchen Folgen entgegenzuwirken. Den Umstand, dass die Redaktorin nicht mehr mit ihrem Vorgesetzten zusammenarbeiten wollte, erachtete das Gericht für die logische Folge aus den von der Redaktorin vorgebrachten Verfehlungen, weshalb dies kein hinreichender Kündigungsgrund darstellte.

Weiter war vom Gericht zu prüfen, ob die Redaktorin das interne Beschwerdeverfahren sowie das Schlichtungsverfahren in missbräuchlicher Weise eingeleitet hatte. Der Kündigungsschutz nach dem GlG zeitigt nämlich nur dann Wirkung, wenn die Schutznorm nach Treu und Glauben und nicht rechtsmissbräuchlich angerufen wird. Das Gericht stellte zwar fest, dass gewisse Indizien vorlägen, die Fragen aufwerfen würden, alleine daraus aber nicht geschlossen werden könne, dass die gesamte Klage aus rechtsmissbräuchlichen Motiven erhoben wurde. Es erachtete die von der Arbeitgeberin vorgebrachten rechtsmissbräuchlichen Motive nicht in rechtsgenügender Art und Weise für dargetan bzw. bewiesen.

Da die Arbeitgeberin weder einen begründeten Kündigungsgrund noch rechtsmissbräuchliche Motive der Redaktorin für die Einleitung der Massnahmen gegen die Diskriminierung rechtsgenüglich nachweisen konnte, wurde die durch die Arbeitgeberin ausgesprochene Kündigung vom Gericht aufgehoben.

Die (offene) Frage der Entschädigungsfolgen

Dem Entscheid ist hingegen nicht zu entnehmen, welche Entschädigungsfolge die Aufhebung dieser Kündigung hat – also ob die kolportierten 33 Monatslöhne tatsächlich geschuldet sind. Das Gericht hat sich mit dieser Frage (bisher) nicht befasst. Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt sich die interessante Frage, ob für diese Dauer der Lohn geschuldet ist. Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn”. Kann die Arbeit infolge eines Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder liegt eine Annahmeverzug der Arbeitsleistung vor, so bleibt der Arbeitgeber zur Entrichtung des Lohns verpflichtet. Ob vorliegend ein solches Verschulden der Arbeitgeberin vorliegt, ist unklar und dürfte von der Beklagten bestritten werden. Die Frage der Entschädigungsfolge hat deshalb durchaus Potential, weiteren Prozessstoff zu produzieren.

Zudem hat die TX Group angekündigt, das Urteil an die nächsthöhere Instanz, das Zürcher Obergericht, weiterzuziehen. Das letzte Wort in dieser Causa ist damit noch nicht gesprochen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Zürich vom 11. November 2024 (Geschäfts-Nr. AN220047-L/U) wurde nicht amtlich veröffentlicht, wir haben jedoch Einsicht erhalten. Es ist – Stand Januar 2025 – nicht rechtskräftig. Hier finden Sie die Medienmitteilung der Bezirksgerichts Zürich zum erstinstanzlichen Entscheid.

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